- Arbeit oft Hauptursache für Erschöpfung
- Altersgruppe zwischen 30 und 40 Jahren besonders betroffen
- Studierende und Auszubildende oft am Limit
Rund die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland fühlt sich aktuell erschöpft, bei der berufstätigen Bevölkerung sogar eine deutliche Mehrheit. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung. Besonders betroffen ist der Studie zufolge die Altersgruppe zwischen 30 und 40 Jahren. Aber auch Studierende und Auszubildende leiden derzeit unter massiver Erschöpfung aufgrund des Zusammenspiels von beruflichen, privaten und gesellschaftlichen Herausforderungen.
Eine Mehrheit von 49,5 Prozent der deutschen Bevölkerung bezeichnet sich derzeit als erschöpft, gegenüber 40,1 Prozent, die weniger erschöpft sind. Frauen sind im Durchschnitt etwas mehr erschöpft als Männer. Deutlich zeigt sich die Herausforderung, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Personen in Haushalten mit Kindern fühlen sich mit 61,2 Prozent deutlich erschöpfter als in Haushalten ohne Kinder mit 47 Prozent.
Am stärksten erschöpft zeigt sich die Altersgruppe zwischen 30 und 40 mit 73 Prozent, und selbst in der Altersgruppe ab 65 Jahren bezeichnen sich noch 32,5 Prozent als erschöpft. Während die Älteren ab 65 Jahren hauptsächlich gesundheitliche Gründe mit 56 Prozent als Ursache für Erschöpfung sehen, ist es für die mittleren Altersgruppen durchgängig die Situation bei der Arbeit. Besorgniserregend sind auch die Einschätzungen von Studierenden und Auszubildenden, die mit 73,8 Prozent und 76,3 Prozent angeben, erschöpft zu sein.
Jenseits von Arbeits- und Privatleben zeigt sich in der Erschöpfungs-Studie zudem, dass auch die allgemeine wirtschaftliche Lage (32,2%), die allgemeine politische Lage (29,2%) sowie die Informationsflut und die Medien (24,1%) zur Erschöpfung beitragen.
Für die Wirtschaftspsychologin, Dr. Christiane Guthier, fachliche Begleiterin der Studie, sind die Befunde alarmierend. “Die Generation zwischen 30 und 40 steckt in der Zwickmühle zwischen beruflichen, privaten und gesellschaftlichen Herausforderungen und scheint gerade verschlissen zu werden”, so Guthier. “Mehr als ein Drittel dieser Altersgruppe beobachtet diese Erschöpfung auch in Ihrem Umfeld, und mit 15 Prozent dieser Gruppe befindet sich ein erheblicher Anteil bereits am Erschöpfungslimit.”
Als problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang auch, dass gut ein Viertel der Befragten über keine richtige Bewältigungsstrategie für den Umgang mit Erschöpfung verfügt. So geben 27,8 Prozent an, Erschöpfung sei “schwer loszuwerden”. Auch dieser Wert ist besonders ausgeprägt bei Auszubildenden (50 Prozent), Studierenden (45,5 Prozent) und in der Altersgruppe zwischen 30 und 40 (38,4 Prozent). Psychologin Christina Guthier sieht die Betroffenen in einem Dilemma. “Wenn Arbeit und Privatleben zugleich eher als erschöpfende Belastung empfunden werden und in beiden Feldern die Erholung fehlt, droht sowohl eine gesundheitliche als auch eine soziale Überbeanspruchung. Dabei hätten wir gerade in der Arbeitswelt unterschiedliche Möglichkeiten, Verhältnisse so zu verändern, dass sich Erschöpfung organisatorisch eindämmen ließe”, so Guthier.
Als Ursachen für die Erschöpfung am Arbeitsplatz sieht eine Mehrheit der Befragten in der Studie den Leistungsdruck (56,3 Prozent), gefolgt vom Zeitdruck bei der Arbeit (43,1 Prozent) und der Menge der Arbeit (41,2 Prozent). Aber auch andere Faktoren spielen eine gewichtige Rolle, insbesondere geben 30,6 Prozent Probleme mit Vorgesetzten als Ursache der Erschöpfung an.
Andreas Scheuermann, Partner der Beratungsunternehmens Auctority sieht Unternehmen gefordert, die eigene Arbeitsorganisation zu hinterfragen. “Unternehmen sind sich der Dramatik der Lage nicht bewusst und spekulieren darauf, dass sich akute Belastungen auch wieder abbauen. Wir haben uns noch nicht einmal von der Sonderbelastung durch Corona erholt, und mit Fachkräftemangel, Demografie, Digitalisierung oder wirtschaftliche Folgen von Kriegen und Klimawandel stehen massive Herausforderungen vor uns. Die übermäßige Dauerbelastung ist Normalität geworden. Solange sich die Arbeitsbedingungen nicht ändern, werden Achtsamkeitstrainings oder Appelle an die einzelnen Beschäftigten nicht zu nachhaltigen Ergebnissen führen.”
Nach Ansicht des Beraters sind deshalb zwingend eine Entbürokratisierung der Unternehmen, ein Abbau von Hierarchien und stärker kollaborative Lösungsfindung über Unternehmensgrenzen hinweg erforderlich. Auch das Führungsverhalten von Vorgesetzten müsse sich stärker an absehbaren Belastungsgrenzen orientieren.
Wirtschaftspsychologin Dr. Christina Guthier kennt aus ihrer langjährigen Forschung noch einen weiteren Ausweg für die Unternehmen. “Erschöpfung wird als weniger bedrohlich wahrgenommen, wenn Unterstützung und Autonomie auf der Arbeit gewährleistet sind. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass Erschöpfung sogar etwas Gutes sein kann, wenn sie sich lohnt. Diese positive Auffassung zu Erschöpfung teilten allerdings nur 11 Prozent der befragten angestellten Beschäftigten. Hier sehe ich dringenden Handlungsbedarf für Unternehmen. Wir müssen Arbeitsbedingungen schaffen, in denen es sich für den oder die Einzelne lohnt, Leistung zu erbringen und gleichzeitig genügend Zeit und Raum für Erholung sichergestellt wird.”
Über die Studie:
Im Auftrag des Beratungsunternehmens Auctority hat das Meinungsforschungsinstitut Civey im Zeitraum von 14. bis 18. Juli eine repräsentative Stichprobe von 5.000 Personen der bundesdeutschen Gesamtbevölkerung ab 18 Jahre befragt. Fachlich wurde die Studie von der Wirtschaftspsychologin Dr. Christina Guthier begleitet. Für Ihre Forschung zum Zusammenhang von Arbeitsstressoren und Erschöpfung hat Christina Guthier in diesem Jahr den Schmidt-Hunter Meta-Analysis Award der amerikanischen Psychologenvereinigung SIOP erhalten.
Quelle: Auctority GmbH (sw)
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